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6. Tag der Derbywoche

Das macht die Berliner Luft…

Berlin-Mariendorf, Samstag, 1. August 2015 (Text: Dr. Manfred Wegener).  Paul Linckes vor 111 Jahren komponiertes, im Lauf der Zeiten zur inoffiziellen Berliner „Nationalhymne“ gewordenes Operetten-Lied von der tollen Berliner Luft, womit das Lebensgefühl dieser Stadt gemeint war (und ist), dürfte zumindest an diesem Samstag zu einem der Lieblingslieder des Hans-Ulrich Bornmann geworden sein. Das Lebenswerk des unter dem Pseudonym Stall Habo seit Jahrzehnten aktiven Züchters und Besitzers krönte Indira Bo mit ihrem Triumph in der 27. Auflage des in der jetzigen Form durchgeführten Stuten-Derbys, das seit Jahr und Tag im Untertitel an den havelländischen Züchter und Pferdemann Arthur Knauer erinnert. Die wuchtige Braune, deren Markenzeichen der Turbo-Antrieb am Start ist, bescherte ihrem „Master“ zugleich das vermutlich schönste, um 14 Tage vorgezogene Geschenk zum 54. Geburtstag. Das Bemerkenswerte daran: Die Tochter des einstigen Kolgjini-Aushängeschilds Revenue, einer von lediglich sechs im deutschen Gestütbuch eingetragenen Trabern des Halbfranzosen im rennfähigen Alter, scheint nur mit der Berliner Luft gewinnen zu können.

Im Vorjahr schaffte sie aus fünf Versuchen einen Sieg - in der in Berlin ausgetragenen Breeders Crown. Heuer ging sie mit soliden Formen, jedoch sieglos ins Stuten-Derby, gewann ihren Vorlauf und setzte nun in einem der am ausgeglichensten besetzten Finales aller Zeiten den zweiten Big Point ihrer noch recht kurzen Laufbahn, nach dem nun 68.459 Euro auf ihrer Visitenkarte prangen.


Roland Hülskath und Indira Bo 
 

„Es war ein hartes Stück Arbeit. Wir wollten bei der von Hause aus sehr offenen Angelegenheit unbedingt ihre Startschnelligkeit nutzen und das Match von vorn gestalten, um jederzeit das Heft in der Hand zu haben“, verriet Roland Hülskath beim Siegerinterview. Was leichter geplant als getan war, wie sich in einer knallharten Anfangsphase herausstellte, denn von außen schien Fygi Bros an die Spitze geradezu zu fliegen. Deutschlands fünffacher Goldhelm ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen, blieb seiner offensiven Ausrichtung treu und ergriff in der ersten Kurve selbst den Taktstock, was sich als ein Teil der üppigen Miete herausstellte. Sehr viel schlechter nämlich traf es Georgeous Love, mit der Rob de Vlieger fortan den Anführer der Außenspur gab. Bei anfangs enorm hohem Tempo - erst auf dem dritten Abschnitt wurde etwas Dampf aus dem Kessel gelassen - machte die sogenannte „Todesspur“ ihrem martialischen Namen alle Ehre. Georgeous Love, Schwester der vor drei Jahren im Stuten-Derby siegenden Georgina Corner, war nach einer Runde außer Puste und verschwand im Hintertreffen. Hülskath dagegen setzte 250 Meter vorm Ziel alles auf eine Karte und gab seiner Stute den Kopf frei. Gewonnen hatte er trotz eines sicher scheinenden Vorteils jedoch noch lange nicht. Maik Esper, im Ruhrpott geboren, in der Welt und derzeit in Berlin zuhause, hatte genau die entgegengesetzte Taktik eingeschlagen. Klug hatte er Flori Dragon versteckt, der Stute aus dem holländischen Stall der Dragon Trotters jeden Aufwand erspart, und konnte dafür im Finish aus dem Vollen schöpfen. Fast wäre die Rechnung des 42jährigen aufgegangen. Auf der Zielgeraden bekam Flori förmlich Flügel, rauschte Meter um Meter näher und verfehlte die in Bedrängnis kommende Indira Bo, hinter der Roland Hülskath die Gefahr früh witterte, alle Register seines Finish-Könnens zog und sich zum dritten Mal nach 2011 (What a Feeling) und 2013 (Fräulein Wunder) in die Siegerliste eintrug, nur um Haupteslänge.

Adieu, April Love

Den Trostpreis für Berlin hatte es fünf Rennen zuvor im Trostlauf gegeben, den die von den Berlinern Nicole und Hans-Joachim Kleemann gezüchtete April Love an ihre Fahne heftete. Jorma Oikarinen, der noch immer darüber rätselte, warum die sonst so bombensichere Stute sich vor einer Woche im Vorlauf in idealer Lage nach einem Kilometer aus der eigentlich sicheren Final-Tour gesprungen hatte, verfuhr diesmal kompromisslos. „Wenn der damalige verdeckte Rennverlauf überhaupt ein Fehler war, wollte ich den nicht zweimal machen.“ Nach einer halben Runde nahm die Dunkelbraune auf dem Regiestuhl Platz und ließ sich dort fortan von nichts und niemand verdrängen. 5.000 Euro waren das Trostpflaster für eine schneidige Vorstellung, die vorerst die letzte im deutschen Raum gewesen sein dürfte. „Morgen reist sie in den Norden. Ihr finnischer Besitzer möchte sie auch mal bei sich zu Hause laufen sehen“, goss Oikarinen Wasser in den Wein der Freude.

Schnäppchen für 3.500 Euro

Bevor ab 20.00 Uhr auf der zum 25. Mal von Kornelius Heitmann ausgerichteten Derby-Jährlingsauktion die Träume von morgen unter den Hammer kamen, konnten sich potentielle Bieter davon überzeugen, dass Gutes nicht immer teuer sein muss. Von den 78 Jährlingen, die auf den 2014er Sales im Katalog standen, maß sich ein Dutzend im mit 50.000 Euro dotierten Auktionsrennen. Es war zugleich die Premiere der Zweijährigen, von denen eine ihre Sache ganz besonders gut machte. Danedream ging 2014 für ganze 3.500 Euro über den Auktionstisch und wanderte nach Südschweden aus. Warum ihr Trainer Tomas Malmqvist dort zu den renommiertesten Ausbildern für junge Traber zählt - seine Erfolgspferden sind unter anderem die dänischen Derbysieger Nice Little Aert und Tumble Dust sowie Elton Attack, Deutschlands Derby-Dritter 2014 -, machte die Pablo-As-Tochter deutlich. Die Braune benahm sich trotz des für sie ungewohnten Rechtskurses, der weiten Anreise und der neuen Umgebung auf jedem Zoll wie ein Profi, setzte sich zeitig ins Kommando und wurde mit Christoffer Eriksson ihrer Favoritenrolle nach starken 1:16,7 souverän gerecht. Der Ehrenplatz wanderte dank des toll spurtenden Laskari nach Berlin in den ambitionierten Stall Living Dream. Auch der in Lasbek geborene Hengst gehörte mit 4.500 Euro nicht zu den hochpreisigen Investitionen der 2014er Auktion. 

Stolze Donna im Jauß-Memorial

Das trotz der Absagen der Bayern-Fraktion Abano H, Rapido OK und Wild Viking grandios besetzte Gottlieb-Jauß-Memorial wiederum wurde zum Trostpreis für Maik Esper. Mit der enorm verbesserten Donna Kievitshof - sie war auf der Auktion 2011 für 20.000 Euro zu erwerben - versteckte er sich konsequent an der Innenkante, bekam dort mit, wie sich die „Holland-Fraktion“ um Ejakval Boko und El Salvador gegenseitig das Leben nicht gerade einfach machte und war in einem furiosen Finish, das nichts für Herzkranke war, auf den Punkt genau gegen Compleet Well, Fleur de Lee Venus und Bronco Boko da. Es war der elfte Sieg der eleganten Füchsin, die nun 32.952 Euro auf dem Kerbholz hat und ihrem europaweit gerühmten Vater Love You alle Ehre macht.

Kurios: Die schnellste Zeit des Tages wurde nicht etwa in der abschließenden Meilenprüfung erzielt, die aufs Konto von Cato van Egmont ging. Spitzenreiter dieser Wertung war der Final-Sieger des aus den Bändern gestarteten Handicap de Luxe. Beim dritten Start binnen acht Tagen war Racer offensichtlich endlich richtig auf Betriebstemperatur. Von Robert Pletschacher im Speed eingesetzt, machte der Wallach seinem Namen alle Ehre, rannte die Konkurrenz in 1:13,0 in Grund und Boden und war für 151:10 zugleich der größte Außenseiter im Reigen der 14 Sieger. 

Fast schon gebetsmühlenartig wiederholte sich das Plus an der Umsatzfront: Mit 473.437 Euro wurde das Vorjahrsergebnis um 39.000 Euro oder neun Prozent übertroffen.

Umsatz bei 14 Rennen: 473.437,01 Euro (incl. 199.351,61 Euro Außenumsatz)